Mein Roggenbrot ist zu mild: Die aktuelle Roggenernte - bon'gu

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Mein Roggenbrot ist zu mild: Die aktuelle Roggenernte

Der Sommer war gut zu uns – temperaturmäßig.
Wenn wir den neuen Roggen verbacken, fällt auf, dass das Roggen(misch)brot vergleichsweise kaum Säure ausbildet, relativ schnell altbacken wird. Ihm fehlen die gewohnten komplexen Aromen, für die ich es so liebe.

Was ist passiert? => Roggenernte!

Bauern und Müller und sogar die Bäcker begrüßen in der ersten Wahrnehmung die Erntequalität. Das Getreide ist gesund, von ausgezeichneter Qualität und auch die Menge war leicht überdurchschnittlich.
Auffallend ist die große Menge Wasser, die der Teig aufnimmt- und das Brot trotzdem recht schnell altert. Der Teig säuert kaum, er fermentiert eher behäbig.

Woran liegt das?

Das Amylogramm bringt es an den Tag: viel zu hohe A.E.-Werte zeigen sich.
Die helleren Roggenmehl-Fraktionen aus dem konventionellen Bereich sind besonders betroffen. Ursache dieser hohen Amylogramm-Werte ist eine geringe Enzymaktivität. Die wiederum hängt ab vom Wetter und von der Roggensorte- dieses Jahr kumulierten die Effekte: eine trockene Wachstumsperiode und die modernen Roggensorten schlugen in die gleiche Kerbe und sind verantwortlich für die trockenbackenden Eigenschaften.
Augenscheinlich entstehen einfach schöne Brote, die es jedoch geschmacklich an Komplexität und Säure fehlen lassen. Sie werden recht schnell trocken und altbacken.

Verarbeitungsempfehlungen

Wie gehen wir damit um? Wie reagieren wir, damit unser Brot wieder gut wird?

Sauerteigsteuerung

  • alte Sorten verwenden! (Champagnerroggen, Waldstaude, Rouge de Roc, Gelbweizen…)
  • etwas dunkleres Mehl verwenden (z.B. VK-Mehl einsetzen)
  • aktives Malz verwenden (Achtung: scharfes Schwert!)
  • 2°C kühler und entsprechend länger Fermentieren
  • Anstellgut-Menge (ASG) erhöhen
  • Versäuerung im Hauptteig erhöhen
  • Sauerteigführung: einstufig statt zweistufig arbeiten oder die zweite Stufe anpassen

Frischhaltung

  • Kochstück verwenden (bis 6%)
  • Extrudat (bis 5%)
  • Flohsamenschalen (bis 4%)
  • Kartoffeln (roh geraffelt oder gekocht), 10%
  • Restbrot (TA300), bis 5% Trockengewicht
  • Schwarzroggen

Aroma

Für viele ist die Arbeit mit Restbrot bzw. Brotaroma der Königsweg- mir ist das Brot mit diesem Hilfsmittel zu weit weg von seinen ursprünglichen Getreide- und Fermentationsaromen, es kommt eine weitere Geschmacksdimension hinzu.  Die Frischhaltung gewinnt deutlich durch diese Zutat.


Bayrisches Urbrot – VARIANTE I

Idee nach F.J. Steffen, Brotland Deutschland, verändert

Kurzsauerteig- Führung

auf 1 kg Mehl, ergibt 850 g Sauerteig (ohne Anstellgut)

Hauptteig

  • 850 g Sauerteig
  • 350 g Roggenmehl Type 1150
  • 200 g Weizenvollkornmehl  Maria
  • 10 g Hefe (verändert die Reifezeiten)
  • 20 g Salz
  • 350 g  Wasser,
  • ergibt ca. 1,7 kg Teig

Bayrisches Urbrot – VARIANTE 2

Idee nach F.J. Steffen, Brotland Deutschland, verändert

Achtung: Mit einer sauberen, gut gepflegten Kultur wie z.B. dem Champagnerroggen-Starter kann hier sogar einstufig hefefrei gearbeitet werden. Einstufen- Führung für 1kg Mehl.  Ergibt 850g Sauerteig. (ohne Anstellgut)

Hauptteig


Reifen & Backen

Nach Wunsch Teiglinge locker aufmachen. Von der Art der Aufmachung hängt die Stückgare-Zeit ab: Wird sehr vorsichtig aufgearbeitet, reduziert sich die Stückgare auf 30min oder weniger

Teigtemperatur im Hauptteig

  • Kurzsauer: 26°C
  • Einstufensauer: 22°C

Reifezeit

  • Ballengare: Volumenzunahme um ca. 50%  (Kurzsauer nach ca. 30min, Einstufensauer nach ca. 1,5 Stunde)
  • Stückgare: Voleumenzunahme um ca. 60% (Kurzsauer nach ca. 30min, Einstufensauer nach ca. 1 Stunde)

Backen

  • Bei 250°C anbacken
  • Bei 200°C ausbacken
  • Backzeit bei 1,8kg-Laib: ca. 1h,
  • auf Kerntemperatur von 97°C-98°C backen.

Schellis Urteil

  • Durch die recht heisse und trockene letzte Erntesaison haben die Brotgetreide-Sorten durchweg höhere Amylogramm-Werte, insbesondere die konventionellen Hochprotein- Getreidesorten (auch im Biobereich!) neigen zum Trockenbacken. Brotoptik und Teigaufarbeitung sind dagegen optimal. Es wird nur sehr verhalten Säure entwickelt.
    Die alten Getreidesorten, die hier im Rezept verwendet werden, können mit diesem Phänomen besser umgehen- das Brot fühlt sich saftiger an, bleibt länger frisch und ist insgesamt aromatischer.
  • Der Berliner Kurzsauer bringt eine üppigere, wildere Porung und mehr Volumen ins Brot- das Äussere ist ansprechender.
  • Die Einstufensauer-Methode ist aufgrund der oben beschriebenen Faktoren die geeignetere, um mit den hohen Amylogrammwerten und (zu) milder Versäuerung umzugehen.
  • Geschmacklich unterscheiden sich beide Brotvarianten durch die gewählte Führung deutlich, der Einstufensauer bringt eine harmonische Säure, ein wunderbares Aroma und eine gute Frischhaltung mit.
    Wir diskutieren hier auf höchstem Brot-Genuss-Niveau. Auch der Berliner Kurzsauer wird seine Liebhaber finden.
  • Ein insgesamt sehr harmonisches Alltagsbrot, das über eine Woche Frischhaltung sicherstellt, langanhaltend sättigt und durch seine Klasse & Einfachheit besticht.
    In dieser Mehl-Sauerteig-Kombi ein sauberer, ehrlicher, gerader Charakter ohne jede Hinterfotzigkeit.
  • Meine klare Empfehlung gilt der zweiten vorgeschlagenen Rezeptvariante.