Die eigene, besondere Sauerteigkultur
In St. Vieth, in der Sauerteigbibliothek werden von Karl de Smeth nur noch sehr ausgewählte Sauerteige aufgenommen und weitergepflegt. Die Lügengeschichten von den Uralt-Kulturen aus dem späten Mittelalter verschiedener Bäckereien glaubt er schon lange nicht mehr. Chancen hat, wer die Kultur aus einem bestimmten Urgetreide, das für eine Region typisch ist, auf unten beschriebene Weise angezogen und bestenfalls mit dem gleichen Korn aus der gleichen Gegend über längere Zeit auf definierte Weise gehalten hat.
Der eigene Sauerteigansatz- die Grundzutaten für Sauerteig sind regelmäßig:
- Mehl
- Wasser
- Zeit
- ?
Diese Grundzutaten sind allgemein bekannt. Über einen weiteren, ganz entscheidenden Faktor redet fast niemand. Dabei dreht sich in Wirklichkeit alles um ihn.
Was fehlt?
Die richtigen Mikroorganismen in der passenden Verteilung und Konzentration!
Erst sie machen aus den Grundzutaten eine Kultur. Dieser Punkt fällt in nahezu jedem Ratgeber unter den Tisch- das zeigt, wie wenig die Selbst-„Berufenen“ über Sauerteig wissen.
Was passiert, wenn wir diese grundlegende Erkenntnis außer Acht lassen? Ganz einfach: Wir befinden uns mit dem Sauerteig auf einem Schiff mit gebrochenem Ruder auf offenem Meer, dem Einfluss der Winde ausgesetzt, ohne zu wissen, wie wir es in einen sicheren Hafen bringen können.
Lösung
Wir eignen uns das Wissen über die Steuerung des Sauerteigs an.
- Wann treibt er am stärksten?
- Unter welchen Bedingungen entwickelt sich Säure und wie können wir die vermeiden oder passend einstellen?
- Welche weiteren Geschmackskomponenten sind wichtig?
Die Antworten finden wir in den nächsten Sauerteig-Briefen an dieser Stelle.
Im ersten Schritt holt man sich eine Rasse-Kultur in die eigene Backstube.
- über eine sehr gute, vertrauenswürdige Sauerteig-Quelle, dort bekomme ich eine Kopie.
- über ein ausgezeichnetes, frisch gemahlenes Bio-Roggenmehl, damit starte ich meine eigene Sauerteig-Kultur.
Wie groß die Unterschiede zwischen einer durchschnittlichen und einer ausgezeichneten Kultur tatsächlich sind, merkt man erst, wenn man beide ausprobiert hat. Vorher hält man nicht für möglich, wie einfach es ist, hefefrei Brot zu backen und wie gut dieses Brot tatsächlich schmeckt und wie lange es frisch bleibt.
Eine einfache Anleitung zur Herstellung deines eigenen Sauerteigs
Diese Anleitung zu befolgen, hat folgende Vorteile: Es wird nichts ausgelassen, aber auch kein Schritt zu viel gemacht. Nahezu alle Rezepte aus dem Netz, die ich kenne, sind inkonsequent und führen deshalb weniger sicher zum Ziel oder dauern länger.
Bevor wir uns an die Herstellung unserer Kultur machen, stellen wir folgende Überlegung an:
- Welche Eigenschaften soll unsere Zielkultur haben?
- Welche Art von Brot soll sie backen?
- Welchen Pflegeaufwand möchte ich betreiben?
Im Folgenden wird der Weg zu einer milden, triebstarken, gutmütigen Kultur beschrieben, die einen geringen Pflegeaufwand erfordert. Mit ihr kann man erfolgreich Alltagsbrote ohne weiteren Hefezusatz backen. Tartine Style Brote benötigen einen anderen Ansatz und auch Panettone wird man mit dieser Kultur nicht backen können.
Wir benötigen:
- ein sauberes Weckglas, 290 ml mit Deckel
- frisch gemahlenes (Bio)-Roggenvollkornmehl
- 30°C warmes Wasser
Schritt-für-Schritt
1
50 g Wasser werden mit 50 g Roggenvollkornmehl im Glas homogen vermischt, der Deckel kommt auf das Glas, das Glas wird warm gestellt: etwa 24 Stunden bei etwa 24°.
Hier nicht vom Rezept abzuweichen, zahlt sich aus: Im Netz findet man 1000 alternative Wege- der hier beschriebene zeichnet sich durch Weglassen von Voodoo aus. Er führt direkt und schnell zum Erfolg.
2
Die Hälfte dieses Teiges wird aus dem Glas entfernt und verworfen. Der Rest wird in 50 g Wasser aufgelöst und mit weiteren 50 g Roggenvollkornmehl verrührt und wieder warm gestellt. Diesmal für 6 Stunden.
Nach 24 Stunden nimmt man oft schon erste Gärprozesse wahr, wenn nicht, ist das nicht weiter dramatisch.
3
Schritt 2 wird wiederholt
4
Wir nehmen weniger Wasser: 40g, der Rest des Procederes bleibt.
Die Reifezeitkurz: RZ, die Ruhezeit der Gare vom Mischen eines (Vor-) Teiges bis zum folgenden Eingriff. Das kann die nächste Stufe einer Auffrischung oder die Zeit vom Formen des Teiglings bis zum Einschießen des Gebäcks in den Ofen sein. More von 6 Stunden wird beibehalten. Wir sind jetzt bei Stunde 48 nach Erstansatz.
Man nimmt deutlich FermentationAndere Bezeichnungen: Fermentierung, Gärung, Reifung hier: allg. Begriff für Stoffwechselprozesse, die mithilfe von Enzymen Teige zur Backreife führt. Ähnliche biochemische Abläufe sind bei der Herstellung vieler anderer Lebensmittel (Bier, Wein, Käse, Schinken, Sojasauce…) zu finden. Die Fermentation startet, wenn Wasser, Mehl und „Starter“ (Hefe, Sauerteig) zusammenkommen. Sie produziert Gärgase, Aroma(vor)stufen, baut aber auch unverträgliche Stoffe ab. More wahr. Das Teigvolumen vergrößert sich wegen der Teigfestigkeit unwesentlich, die Kultur fängt an zu duften.
Noch zwei bis dreimal füttern wie im letzten Schritt und unser Sauerteig ist in der Lage, ein Brot zu treiben. Völlig ohne Hefezusatz.
Die gewünschten Sauerteigaromen, die dein Brot einzigartig machen, haben sich allerdings noch nicht eingestellt. Noch ist das Brot eher mild und fade.
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Schritt 4 wird wiederholt
6
Schritt 4 wird erneut wiederholt
Einstellung des gewünschten Aromas und Reduktion des Pflegeaufwandes
Mit jeder Auffrischung wird deine Kultur stabiler und bekommt ein tieferes Aroma. Der Roggensauer- Ansatz ist deutlich stabiler als ein Weizensauerteig.
Wir beginnen jetzt, die Fütterungszeiten auseinander zu ziehen. Dazu füttern wir im Folgenden Verhältnis: 1 zu 5 zu 4, Anstellgut zu Mehl zu Wasser.
Der Sauerteig wird abends gemischt, er reift über Nacht ca 10 Stunden bei Raumtemperatur ca. 20°C. Nach der Reifezeit wandert er abgedeckt in den Kühlschrank. Dort ruht er für maximal 7 Tage bis zur nächsten Auffrischung oder bis zum nächsten Backtag.
Die feste Führung und die kühle Lagerung reduzieren die Fermentationsgeschwindigkeit. Dadurch ist es möglich, die Kultur über sieben Tage nicht antasten zu müssen. Die feste Führung macht den Sauerteig gutmütig, er verzeiht Fehler und bleibt milde und triebstark.