Nach einigen Erfahrungen und Diskussionen muss ich noch meine Sicht auf das Gaues-Exsudat veröffentlichen.
Was fehlt regelmäßig? Der Zugang zum Ideengeber! Wer ist Jochen Gaues? Wie kommt es zu diesem Brot? Mache sich jeder ein eigenes Bild, bevor das Brot in den Himmel gehoben wird, damit ich mir die Hände nicht dreckig machen muss.
Von mir gibt es keine Empfehlung. Die YouTube-Bilder dieses Bäckers sprechen für sich. Ich finde weder Kompetenz, noch Sorgfalt, noch Liebe zum Produkt. Das Ur-„Sylter“ war eine hingeworfene Resteverwertung und schmeckte im Original auch so. Der Altbrotanteil liegt bei: “Was das Mehl verträgt”.
Die Versäuerungsmethode (Brotfermentation nach Isernhäger) ist jedoch interessant! Der Restbrotanteil wird versäuert, evtl. gekühlt und bei Bedarf (über Tage) dem Hauptteig zugemischt. Das kann man als Variante des Salzsauer-Verfahrens werten, weil rund 1 % Salz die FermentationAndere Bezeichnungen: Fermentierung, Gärung, Reifung hier: allg. Begriff für Stoffwechselprozesse, die mithilfe von Enzymen Teige zur Backreife führt. Ähnliche biochemische Abläufe sind bei der Herstellung vieler anderer Lebensmittel (Bier, Wein, Käse, Schinken, Sojasauce…) zu finden. Die Fermentation startet, wenn Wasser, Mehl und „Starter“ (Hefe, Sauerteig) zusammenkommen. Sie produziert Gärgase, Aroma(vor)stufen, baut aber auch unverträgliche Stoffe ab. More bremst.
Die Firma Diosna schluckte vor Jahren die Firma Isernhäger aus Gaues’ ehemaliger Nachbarschaft. Von denen wiederum stammte die Idee der “Isernhäger Brotfermentation”, deren sich auch Gaues bediente. Die erfahrenen Qualitätsschwankungen, von denen ich erstaunt bin, dass Kunden sie tolerieren, rühren aus der unterschiedlich langen Stehzeit und nicht sachgerecht angewandter Methode.
Ich habe Donnerstagsbrote mit Montagsbroten aus seiner Bäckerei (irgendwann zwischen erster und x-ter Pleite) verglichen und meinte, Gebäck unterschiedlicher Bäcker zu essen. Die Säurewerte variierten von mild bis nicht genießbar. Zusätzlich waren auch noch zwei Proben deutlich versalzen. Kruste und Krume sind dunkel, die Röstaromen dominieren das Brot so stark, dass die FermentationAndere Bezeichnungen: Fermentierung, Gärung, Reifung hier: allg. Begriff für Stoffwechselprozesse, die mithilfe von Enzymen Teige zur Backreife führt. Ähnliche biochemische Abläufe sind bei der Herstellung vieler anderer Lebensmittel (Bier, Wein, Käse, Schinken, Sojasauce…) zu finden. Die Fermentation startet, wenn Wasser, Mehl und „Starter“ (Hefe, Sauerteig) zusammenkommen. Sie produziert Gärgase, Aroma(vor)stufen, baut aber auch unverträgliche Stoffe ab. More untergeht und auch die Mehlqualität keine Rolle spielt. Die Textur der Krume ist fleischig, fast nass. Das ist modern und ruft die starke Resonanz hervor.
Es gibt ein abgekupfertes oder eigenständig später entwickeltes Brot (360° Laib) mit nahezu gleichem Charakter von der Bäckerei Philipps aus Waldmünchen. Auch das Marketing ist ähnlich: Man geht zu ein paar Köchen mit Rang und Namen und lässt sie das Brot seligsprechen. Dass ein solches Brot in Deutschland so erfolgreich ist, kann man nur verstehen, wenn man die hier verfügbare, einfache, auf Masse und günstige Preise bedachte Mehlqualität berücksichtigt. Für mich ist es eher ein Holzhammer-Methoden-Brot. Schrill, schmerzhaft laut, undifferenziert. Marillion statt Beethoven. Headbanging statt Berliner Philharmonie.
Die Säulen dieses Charakterbrotes:
- hoher Restbrotanteil
- Brotfermentation
- dunkles Ausbacken
- Roggensauer-ASG im Weizen(misch)brot
Das hier vorgestellte Rezept nimmt die oben beschriebenen, markanten Eckpunkte auf und baut zur Rettung der Qualität Sicherheitsanker ein:
- kleberstarkes Qualitäts-Weizenmehl
- bekannte und bewährte Mengenverhältnisse beim Sauerteigansatz
- definiertes Roggensauerteig-Mischbrot als Altbrot
- Röstaromen vor allem über das fermentierte Brot
Zutatenübersicht
Zutaten für das Gesamtrezept in Prozent und Gramm auf 1000 g Mehl im Hauptteig.
Für ein großes Brot von ca. 1800 g oder zwei mittlere Brote zu je ca. 900 g.
- 0,5 g (0,5 %) ASG (auf das Altbrot bezogen)
- 100 g (10 %) Joseph (1370er Lichtkornroggenmehl)
- 900 g (10%) Manitobo
- 100 g (10%) Feenstaub
- 900 g (90 %) Wasser
- 22 g (2,2 %) Salz
- 5 g (0,5 %) Frischhefe
Zeitstruktur
Gesamtzubereitungszeit:
30 Stunden
Tag 1
morgens
Brotfermentation ansetzen, TeigtemperaturAbkürzung für Teigtemperatur. Die Teigtemperatur ist ein häufig unterschätzter Parameter und entscheidet nicht nur über die Fermentsationsdauer/Stehzeit des Teiges, sondern auch über die sich entwickelnden Aromen, auch über den Säuregrad. More 20 °C
Tag 2
morgens
Hauptteig zusammenrühren, Teigtemperatur 24 °C
4 Stunden oder bis 70 % Volumenzunahme
12 Uhr
Teiglinge formen, Stückgare im Leinen, bei großer Teigeinlage im Gärkorb; Reifezeitkurz: RZ, die Ruhezeit der Gare vom Mischen eines (Vor-) Teiges bis zum folgenden Eingriff. Das kann die nächste Stufe einer Auffrischung oder die Zeit vom Formen des Teiglings bis zum Einschießen des Gebäcks in den Ofen sein. More: 1 Std.
ca. 13 Uhr
Backen bis 97 °C Kerntemperaturhier: gemessen im Gebäck während des Backvorgangs. Anhand der Kerntemperatur kann festgestellt werden, ob das Gebäck ausgebacken ist. Auch dieser Vorgang erfordert Sorgfalt- ich habe einen gestandenen Ausbilder der Akademie in Weinheim einen Wert nehmen sehen, das Brot hat er für ausgebacken erklärt und im Moment des Stürzens aus der Backform fiel es in sich zusammen. Das Thermometer wurde zu tief eingestochen und maß einen Wert am Boden. Nicht umsonst heisst es „Kerntemperatur“. Kleingebäck wird nach Erfahrung aus dem Ofen geholt. Rührkuchenqualität profitiert sehr von einem genauen Zeitpunkt des Ausbackens- der Holzstabtest zeigt fast immer an, wann es zu spät ist.
Brot: 98°C: fertig gebacken, 96°C halbgebacken
Brioche: 94°C
Rührkuchen: 93°C More;
1,8 kg: 70 Min. Backzeit;
bei 250 °C anbacken, nach 20 Min. auf 200 °C reduzieren
Tipp:
Flexibilität hat man vor dem Ansetzen des Hauptteiges und wenn man die Stückgare im Kühlschrank stattfinden lässt.
Das Rezept
1. Sauerteig
0,5 g Roggen-ASG, aufgefrischt
500 g Wasser
100 g Feenstaub
100 g Joseph
100 g Manitobo
TT: 20 °C – 22 °C
- ASG im Wasser auflösen.
- Mit dem gesamten Mehl/Feenstaub glatt verühren.
- Abdecken und bei Raumtemperatur 24 Stunden fermentieren lassen.
2. Hauptteig
Alle Zutaten zusammen 2 Min. ankneten, 20 Min. ruhen lassen und zu einem glatten Teig auskneten.
Die Stärke des Manitobo ist sein Kleber. Er verhilft zu einer wilden, großporigen Krume.
Die TeigtemperaturAbkürzung für Teigtemperatur. Die Teigtemperatur ist ein häufig unterschätzter Parameter und entscheidet nicht nur über die Fermentsationsdauer/Stehzeit des Teiges, sondern auch über die sich entwickelnden Aromen, auch über den Säuregrad. More sollte 20 °C – 24 °C betragen. Je kühler, desto länger streckt sich die Reifezeitkurz: RZ, die Ruhezeit der Gare vom Mischen eines (Vor-) Teiges bis zum folgenden Eingriff. Das kann die nächste Stufe einer Auffrischung oder die Zeit vom Formen des Teiglings bis zum Einschießen des Gebäcks in den Ofen sein. More. Je wärmer (bis 30 °C) und je weicher der Teig, desto wilder die Porung.
Kesselgare: 60 Min.
Aufarbeitung & Backen
1
Teigwanne ölen, Teig sofort 1x aufziehen, um die Volumenzunahme besser beurteilen zu können.
2
Nach 60 Min. 1x aufziehen(vom Teig) auch: Stretch and fold. Eine sehr effektive Maßnahme, um Ordnung in die Proteinstrukturen zu bekommen. Neben der Quellung, also der physikalischen Bindung von Wasser an die Stärke und Proteine, gehört zur Teigentwicklung auch dieses Dehnen & Falten. Es dient zusätzlich der Temperaturangleichung, damit der Teig gleichmäßig reift. Mit dem Zeitpunkt und der Häufigkeit dieser Maßnahme steuert man zusätzlich das Porenbild (von fein, gleichmäßig bis grob & wild) im fertigen Brot. More.
3
Ofen auf 250 °C vorheizen.
4
Auf einem Mehl/Semola-Bett auskippen, mit der großen Teigkarte sauber Teiglinge der gewünschten Größe abstechen. Sollte dem Brot eine Flunderhöhe drohen, kann der Teigling 1- oder 2x eingeschlagen werden – wie ein Brief.
5
Stückgare im Leinen (bis 1000 g TE, größere Teiglinge besser im Gärkorb zur Reife bringen)
6
15 Min. vor Vollreife im Kühlschrank stabilisieren.
7
20 Min. anbacken, dann auf 200 °C reduzieren, auf Kerntemperaturhier: gemessen im Gebäck während des Backvorgangs. Anhand der Kerntemperatur kann festgestellt werden, ob das Gebäck ausgebacken ist. Auch dieser Vorgang erfordert Sorgfalt- ich habe einen gestandenen Ausbilder der Akademie in Weinheim einen Wert nehmen sehen, das Brot hat er für ausgebacken erklärt und im Moment des Stürzens aus der Backform fiel es in sich zusammen. Das Thermometer wurde zu tief eingestochen und maß einen Wert am Boden. Nicht umsonst heisst es „Kerntemperatur“. Kleingebäck wird nach Erfahrung aus dem Ofen geholt. Rührkuchenqualität profitiert sehr von einem genauen Zeitpunkt des Ausbackens- der Holzstabtest zeigt fast immer an, wann es zu spät ist.
Brot: 98°C: fertig gebacken, 96°C halbgebacken
Brioche: 94°C
Rührkuchen: 93°C More von 97 °C ausbacken.
8
Backprozess beobachten: Die Krustenfarbe ist ein Charakteristikum dieses Brotes.
Schellis Urteil
Der allgemeinen Faszination dieses Brotes auf den Grund zu gehen, ist das erste Ziel dieses Beitrags. Durch die Beschäftigung mit dem Erfinder des Brotes und den aktuellen Inhaltsstoffen bin ich zu der Erkenntnis gelangt, dass die jetzt im Handel befindliche Version (die nicht mehr von J. Gaues verantwortet wird) mit der Urform von vor ca. 10 Jahren nur noch wenig zu tun hat. Alexander Klutzny („Leicht angeniced“) hat sich mit großem Enthusiasmus, jedoch einer anderen, positiveren Wahrnehmung des Erfinders dem Rezept angenähert und kommt der aktuellen Version sicherlich am nächsten. Vernachlässigt wird allein, welche Freiräume ein Gaues hat, wenn er über das Rezept redet – und welche Spielräume sich dadurch auftun.
Meine Interpretation reduziert deshalb das Rezept auf die Säulen des Charakters. Ein Weizenvorteig geht in Anwesenheit des Altbrotes völlig unter und wird durch die geringen Mengen an Triebmittel und die lange Reifezeitkurz: RZ, die Ruhezeit der Gare vom Mischen eines (Vor-) Teiges bis zum folgenden Eingriff. Das kann die nächste Stufe einer Auffrischung oder die Zeit vom Formen des Teiglings bis zum Einschießen des Gebäcks in den Ofen sein. More überkompensiert. Das macht mein Rezept einfacher und gelingsicherer. Deshalb können wir ohne Qualitätseinbußen auf ihn verzichten. Großen Wert lege ich hingegen auf die Brotfermentation, für mich DAS unterbewertete Werkzeug in Gaues ehemaliger Backstube.
Brotbeschreibung
Der hohe, geröstete Restbrotanteil dominiert alle anderen Aromen und ist zusätzlich verantwortlich für die Textur der Krume, Röstaromen und Fleischigkeit. Für mich ist der Kern, die Seele und die Einzigartigkeit dieses Brotes die Brotfermentation. Es geht hier nicht um feine, vielschichtige Aromen aus Mehl und Fermentation, sondern um das „Thüringer Bratwurst-Prinzip“: Völlig überwürzt, völlig überladen, lässt dieses Brot kein Spiel mit anderen Geschmackspartnern zu. Höchstens grobe, geräucherte Leberwurst oder Stilton-Käse fielen mir ein. Oder eben nur (Salz-)Butter – für diesen eigensinnigen Einzelkämpfer.