80/20er Roggenmischbrot mit zwei unbekannten, aber wesentlichen Tricks für einen Genuss der sich einbrennt. Roggen ist stark unterbewertet. Gegen diesen Trend zeigen wir hier, wie ein köstliches, wohlsättigendes Roggenmischbrot entsteht.
Am Roggen wurde im Laufe der Jahrzehnte viel Missbrauch getrieben- dementsprechend gering wird mittlerweile sein Wert geschätzt. Dabei ist es ein echtes Feinkost-Getreide, wenn es sachkundig behandelt wird. Minimal-Standard ist ein guter, aromatischer Roggensauerteig. Ich stehe auf dem Standpunkt, dass ein Roggensauer-getriebenes Roggen(misch)brot deutlich komplexer und harmonischer schmeckt, als ein mit Weizensauer-getriebenes. Für die Vergleichbarkeit gehen wir von sorgfältig gepflegten Kulturen aus.
Der Verzicht auf Bäckerhefe wirkt sich vor allem ab Tag 2 nach dem Backen aus. Der durch die Brotreife (Tag 2 bis Tag 9) entstehende Wohlgeschmack entwickelt sich ohne Hefezusatz deutlicher, charakterstärker. Diese Brotreife wird bei Geschmackstests regelmäßig unterschlagen.
Erinnerungen an die Kindheit, Jugend lassen mich das Holzrahmenbrot bevorzugen, auch meine ich, dass der Geschmack durch die längere Backzeit noch einmal profitiert.
Rezept 80/20 Roggenmischbrot
Sauerteig
- 40g RASG
- 290g Wasser 20°C
- 200g Champagnerroggenvollkornmehl (oder noch besser: Frisch gemahlen, aus dem ganzen Korn)
- 200g Joseph 1370er
- Reife: 12-15 Stunden bei 20°C
Roggenkochstück
- 50g Champagnerroggenvollkornmehl
- 150g Wasser
Zusammen klümpchenfrei aufkochen, ausquellen, abgedeckt auskühlen lassen
Hauptteig
- 700g reifer Sauerteig (keine Unterbrechung bei der Reife!)
- 200g Roggenkochstück
- 360g Wasser, 22°C
- 200g Lombardia
- 200g Champagnerroggenvollkornmehl
- 150g Joseph 1370er
- 22g Salz
Homogen vermischen, TeigtemperaturAbkürzung für Teigtemperatur. Die Teigtemperatur ist ein häufig unterschätzter Parameter und entscheidet nicht nur über die Fermentsationsdauer/Stehzeit des Teiges, sondern auch über die sich entwickelnden Aromen, auch über den Säuregrad. 20°C. Roggenlastige Teige werden nur gemischt, bis sie klümpchenfrei sind. Ein Auskneten ist nicht möglich.
RZauch: Reifezeit, die Ruhezeit der Gare vom Mischen eines (Vor-) Teiges bis zum folgenden Eingriff. Das kann die nächste Stufe einer Auffrischung oder die Zeit vom Formen des Teiglings bis zum Einschießen des Gebäcks in den Ofen sein. (Kesselgare) 60 Minuten, schonend aufarbeiten, anschließend ca. 60min im Gärkorb oder Holzrahmen reifen lassen. Wir teilen die Reifezeiten für eine offenere, wildere Porung.
Das freigeschobene Brot bietet mehr Kruste, deshalb auch mehr Röstaromen. Es ist die in Deutschland üblichere Form. Das Holzrahmenbrot verträgt etwas mehr Wasser im Teig für eine feuchtere Krume. Dabei ist es ein schmaler Grad zum Klitsch.
Dann bei 250°C anbacken und bei 200°C auf Kerntemperaturhier: gemessen im Gebäck während des Backvorgangs. Anhand der Kerntemperatur kann festgestellt werden, ob das Gebäck ausgebacken ist. Auch dieser Vorgang erfordert Sorgfalt- ich habe einen gestandenen Ausbilder der Akademie in Weinheim einen Wert nehmen sehen, das Brot hat er für ausgebacken erklärt und im Moment des Stürzens aus der Backform fiel es in sich zusammen. Das Thermometer wurde zu tief eingestochen und maß einen Wert am Boden. Nicht umsonst heisst es "Kerntemperatur". Kleingebäck wird nach Erfahrung aus dem Ofen geholt. Rührkuchenqualität profitiert sehr von einem genauen Zeitpunkt des Ausbackens- der Holzstabtest zeigt fast immer an, wann es zu spät ist.
Brot: 98°C: fertig gebacken, 96°C halbgebacken
Brioche: 94°C
Rührkuchen: 93°C 98°C ausbacken, evtl. nach ca. 15 Minuten abdecken (Holzrahmenbrot).
Schellis Urteil
Das Mehl macht den Unterschied. Frisch vermahlener Champagnerroggen gibt dem Brot den letzten Schliff und mehr Komplexität. Es mutet feuchter an, die Krume duftet leicht nach Waldhonig. Allein dieses Brot mit Butter und Salz. Der zweite Punkt ist die lange Reifezeitkurz: RZ, die Ruhezeit der Gare vom Mischen eines (Vor-) Teiges bis zum folgenden Eingriff. Das kann die nächste Stufe einer Auffrischung oder die Zeit vom Formen des Teiglings bis zum Einschießen des Gebäcks in den Ofen sein. sowohl von Sauerteig als auch des Hauptteiges. Dazu lässt man den Sauerteig recht fest (TAinternational auch Hydration/Hydratation genannt. Kürzel für Teigausbeute, Angabe der Wassermenge im Teig. TA= 160 bedeutet, dass auf 100g Mehl 60g Wasser gegeben werden, TA=200 bedeutet, dass zu 100g Mehl 100g Wasser kommen. Man bezieht also die Wassermenge im Teig auf 100g Mehl und addiert beides. Hydration nennt den prozentualen Anteil des Wassers am Mehl. Also in diesem Beispiel 60% bzw. 100%. 173 bei einem hohen Vollkornanteil) und kühl (20°C) reifen und gibt auch dem Teigling die Ruhe bei 20°C. Auf diese Weise entsteht ein süchtig machendes Brot.
Unglaublich, wie gut diese Nahrung dem Körper tut: Man fühlt sich rundum wohl nach dem Genuss und bleibt lange satt durch die vielen Ballaststoffe.
Das fertig gebackene Brot reift- es schmeckt jeden Tag ein bisschen anders- und jeden Tag ein bisschen besser. Diese Reife wird bei gutem Fleisch oder Käse beschrieben. Auch gutem Roggen(misch)Brot wohnt sie inne. Merkwürdigerweise wurde es in der Testphase im Hotel am liebsten morgens beim Frühstück verzehrt. Vielleicht ahnend, dass es mit einer lang anhaltenden, wohligen Sätte belohnt.